Interview mit Adrian Schmocker, Leitung Ausbildungen

Bulletin August 20211/2

Dich kann man als «Urgestein» bezeichnen, wie lange arbeitest Du schon in der SEEBURG?
Mein erster Arbeitstag war der 1. Juli 2006. Die Institution hat damals eine neue Stelle als Leiter Wohnbereich «Seeburg» geschaffen, d.h. also für den schlossartigen Gebäudekomplex am Ufer des Brienzersees. Bei mir waren die Jugendlichen im Alter von 16 bis 24 Jahren untergebracht, die heute im SEEGARTEN in Bönigen und im LANDHUUS in Wilderswil wohnen. 2013 habe ich die Leitung der Berufsausbildungen übernommen.

Was magst Du besonders an Deinem Beruf?
Ich arbeite gerne mit jungen Menschen zusammen und schätze es, dass ich ihren Veränderungsprozess begleiten darf. Spannend ist jeweils das Eintrittsgespräch, quasi der Startschuss für eine lange, gemeinsame Reise bis zum Lehrabschluss. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und dynamisch. Ich weiss nie, was der Tag bringen wird. Interessant ist auch der Kontakt zu Partnern und einweisenden Stellen. Ich hoffe, dass wir sie nach ausgestandener Pandemie auch wieder vermehrt besuchen können.

Was unterscheidet unsere Ausbildungstätigkeit von der in einem «normalen» Betrieb in der Wirtschaft?
Wir kümmern uns um die ganzheitliche Entwicklung des Menschen, nicht nur um die rein fachliche Förderung. Bei uns muss ein Mensch nicht nur funktionieren. Wir lassen ihm auch Raum für seine Schwierigkeiten und können ihn beispielsweise aus dem Arbeitsprozess rausnehmen. Wir widmen uns punktuell einem Problem oder einer Krise, damit es anschliessend wieder weitergehen kann. Generell haben wir sicher mehr Zeit für die Betreuung. In der freien Wirtschaft würden viele aus dem Arbeitsprozess ausscheiden.

Für die Lernenden ist es DAS Highlight, wenn sie ihr Diplom erhalten. Was bedeutet dieser Moment für Dich?
Dieses Jahr haben 14 Lernende erfolgreich abgeschlossen. Natürlich freut mich das immer sehr. Wenn wir ein Prüfungsresultat erhalten, gehe ich immer selbst zum Lernenden und teile ihm die erfreuliche Nachricht persön-lich mit. Wir können als SEEBURG insgesamt sehr stolz auf unsere Leistung sein. Wir vermitteln dem Gewerbe viele neue, gut ausgebildete Arbeitskräfte.

Welche Möglichkeiten hat ein/e Lernende/r, wenn er/sie die Prüfung nicht schafft?
Wer aus gesundheitlichen Gründen scheitert, kann die Prüfung in einem Jahr wiederholen. Dieses Jahr hat ein Lernender die praktische Prüfung nicht bestanden, weil er sehr nervös war und ein grosses Chaos angerichtet hat. Am Ende fehlte ihm darum die Zeit. Ein an-derer Lernender fiel kurz vor der Prüfung in eine grosse Krise und verpasste sämtliche Prüfungstermine.

Wer eine Lehre abbricht, hat es schwer. Was passiert dann?
Das Dossier wird im Normalfall für 1 – 2 Jahre sistiert. Danach könnte er/sie sich wieder bei der IV melden.

Wer erfolgreich die Prüfung besteht, sucht eine Festanstellung. Wie sieht es unter den aktuellen Bedingungen damit aus?
Dieses Jahr haben wir sehr viel Zeit in Bewerbungs-Workshops gesteckt. Die wirtschaft-liche Lage ist aber natürlich gerade in unserer Gegend aufgrund der Pandemie angespannt. Daher präsentiert sich die Situation leider weniger gut als in den Jahren zuvor. Wer keine Anschlusslösung finden konnte, musste sich beim RAV anmelden. Das Lehrverhältnis endete am 31. Juli 2021. Es gibt einige Lernende, die noch von einer Zwischenlösung profitieren können, z. B. die Einschaltung der Arbeitsvermittlung von der IV oder eine Überbrückungsfinanzierung für ein Praktikum im ersten Arbeitsmarkt.

Haben wir Zahlen darüber, wie viele Jugend-liche nach ihrer Ausbildung langfristig Fuss fassen konnten?
Leider nein, weil so eine Auswertung natürlich sehr interessant wäre. Wir verlieren aber die meisten Jugendlichen aus den Augen. Eigentlich sollte sich ein/e Student/in im Rahmen
einer Diplomarbeit einmal diesem Thema widmen. Vor noch nicht allzu langer Zeit kam ein ehemaliger Lernender nach 10 Jahren auf mich zu. Sein Leben ist nach anfänglichen Schwierigkeiten positiv verlaufen. Lustigerweise hat er mir im Verlaufe unseres Gesprächs spontan das «Duzis» angeboten. Soeben hat ein neues Ausbildungsjahr begonnen. Am 2. August haben 27 Jugendliche ihre Ausbildung begonnen. Wir haben aktuell 67 bestehende und neue Lehrverhältnisse.

Welche Berufe sind momentan am gefragtesten?
Bei uns ist das klar der Detailhandel. Momentan bilden wir 13 Jugendliche auf den Niveaus EFZ, EBA und INSOS PrA im BÖDELI CENTER und in der BROCKI aus. Es gibt schweizweit nur wenige Anbieter für eine Detailhandels-ausbildung im geschützten Rahmen. Schon seit Jahren beliebt sind KV und Logistik.

Gibt es auch kurzfristige Anfragen, und falls ja, weshalb?
Es kann immer zu Lehrabbrüchen kommen. Wenn ein Jugendlicher ausbildungsfähig wäre, es aber in einer Institution zum Beispiel mensch-lich nicht klappt, versuchen die involvierten Parteien eine Lösung zu finden. So kann es zu Wechseln zwischen Institutionen kommen. Gerade kürzlich hatten wir einen anderen Fall. Ein Jugendlicher mit mehreren Ausbildungsabbrüchen im ersten Arbeitsmarkt gestand sich erst nach langem Zögern ein, dass er auf besondere Unterstützung angewiesen ist. Das BIZ hat ihn schliesslich bei der IV angemeldet und dann ging alles schnell.

Wie geht es mit der im vergangenen Sommer im «bzi Interlaken» gestarteten Pilotklasse und unseren INSOS-Lernenden weiter?
Wir konnten ein durchwegs positives Fazit ziehen, weshalb wir nun mit drei Klassen und ca. 25 Jugendlichen ins neue Ausbildungsjahr gestartet sind. Das ist ein Musterbeispiel für «Inklusion».

Adrian Schmocker

Adrian Schmocker, Leitung Ausbildungen

Adrian Schmocker
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